Konzeption eines Masterplans bezüglich der Entwicklung, Präsentation und Förderung der historischen Bausubstanz Zells:

(25.10.2019 / CN)

Zell hat aufgrund seiner Geschichte und seiner architektonischen Denkmäler in Franken  folgende Alleinstellungsmerkmale.

I. Die Weinhändler

Auf der Grundlage der einstigen überregionalen kunsthistorischen und wirtschaftlichen Bedeutung von Zell als Weinhändlerort und Zentrum der Ziegelproduktion gilt es Fördermöglichkeiten zu finden, um das nicht nur für Franken bedeutsame architektonische Erbe zu erhalten und die Geschichte der  fränkischen Weinhändler der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Zeller Weinhändler  Wiesen, Fleischmann, Fasel und Bauer und ihre fränkischen Verwandten kontrollierten nicht nur den Würzburger, sondern vor allem den Frankfurter Weinmarkt und gehörten damit zu den Hauptakteuren des Weinhandels im Reich. Frankfurt bauten sie ab dem beginnenden 18. Jahrhundert zum  bedeutendsten deutschen   Handelsort für Wein auf.

Ihre Geschäfts- und Verwandtschaftsbeziehungen reichten dabei von Lüttich bis zu den oberitalienischen Seen und nach Genua.[1] Diese Vernetzung hatte europäische Dimensionen und kann in der Zeller Kelterhofscheune – 1706 von einem Vertreter der genannten Weinhändlerfamilie Fleischmann umgebaut  - sichtbar gemacht werden. Ein entsprechendes Konzept ist zu erarbeiten.

Kooperationen mit den entsprechenden fränkischen Gemeinden – die in der Regel auch nur wenig über ihre einstige Bedeutung im Weinhandel wissen – sind aufzubauen. Genannt seien neben Lengfurt vor allem die tauberfränkischen Orte Tauberbischofsheim, Königheim, Gissigheim, Distelhausen und vor allem  Gerlachsheim, dessen Weinhändlerfamilien – wie auch die der bereits genannten Gemeinden - nicht nur mit den Zellern verwandt waren, sondern dessen Prämonstratenserkloster auch Oberzell als Mutterkloster unterstellt war. Diese uralte erst durch die Umwälzungen der napoleonischen Kriege unterbrochene Zusammengehörigkeit kann durch das Band der gemeinsamen Geschichte und die verwandtschaftlichen Verbindungen der Weinhändler erfahrbar gemacht werden.

In Würzburg – obwohl als Weinstadt sich selbst bewerbend – erinnert nichts an die fränkischen Weinhändler. Das gleiche gilt für Frankfurt. Kein Schild erinnert an den eindrucksvollen auf Stichen zu sehenden Frankfurter Weinmarkt.  Kein Weinhändlerhaus hat in beiden Orten das Inferno des letzten Krieges und nur wenige Gebäude in den o.g. fränkischen Orten die Bauwut der Nachkriegsjahre überlebt. So hat der Markt Zell bei weitem mehr historische Gebäude als die in keinem Krieg zerstörte Stadt Tauberbischofsheim.

Zell hat den größten Bestand an Weinhändlerhäusern in Franken. Die anderen für den Weinhandel bedeutenden Orte haben ihren architektonischen Bestand im Krieg und vor allem in der Nachkriegszeit durch Neubauten weitgehend verloren. Der Zeller Bestand umfaßt die späte Renaissancezeit bis zum Klassizismus. Über hundert Jahre Weinhändlerarchitektur können konzentriert betrachtet werden. Der Ort ist dadurch sozusagen ein lebendiges und bewohntes Freilandmuseum. 

Aufgrund der genannten besorgniserregenden Verluste an architektonischer Substanz ist die Geschichte der fränkischen Weinhändler, die die glanzvolle Epoche des barocken Frankens mitgeprägt und mitfinanziert hatten, nur noch in Zell erfahrbar.

Die kunsthistorische Bedeutung kumuliert im Zeller Schloß, das als Dreiflügelanlage mit Rokokogarten sozusagen die Taschenbuchversion der bis 1744 errichteten Würzburger Residenz ist. Das von Balthasar Neumann für Andreas Wiesen im gleichen Jahr vollendete Zeller Gebäude vereinigt Produktion, Lagerung und Weiterverarbeitung von Wein, Repräsentations- und Kontor-Räumen und Wohnen. Diese Funktionen sind den Kelleranlagen, dem Hauptgeschoß und dem Dachbereich zugeordnet. Neumann schuf durch diese Kombination ein architektonisches Novum, das Weinmanufaktur, Handel und Wohnen in einem Gebäude vereinte. Einzigartig sind dabei die zweigeschossigen Kelleranlagen mit acht verschiedenen Gewölbekonstruktionen. Diese Räume im Unterkeller gruppieren sich als Dreiflügelanlage um einen zentral gelegenen Keller, der unterhalb des Hofes liegt und als einziger Keller über zwei Stockwerke reicht. Somit spiegelt sich das überirdische Gebäude in den Kelleranlagen. Dort sind die Arbeitsabläufe einer nahezu industriell anmutenden Weinproduktion nachvollziehbar. Architektonisches Kompositionsvermögen in Verbindung mit optimierter Funktionalität – die perfekte Verbindung von Form und Funktion – machen diese Keller zu einem beeindruckenden und nicht nur für Franken einzigartigen Bespiel einer auf Wein spezialisierten Manufaktur.

Die Regierung von Unterfranken hat die überregionale Bedeutung des Gebäudes erkannt und der Gemeindeleitung einen Lösungsweg vorgeschlagen, das Palais zu retten. Dies wurde wie die Altortsanierung insgesamt von der Gemeinde nicht weiterverfolgt und die von der Regierung dafür zurückgestellten Mittel in Millionenhöhe wurden nicht abgerufen.

Eine neue Gemeindeleitung muß diese verpassten Chancen korrigieren, die Sanierung des überregional bedeutenden Altorts zur Chefsache machen und das wertvollste Profangebäude Neumanns und das bedeutendste Weinhändlerpalais Frankens  retten.  

II. Die Klöster

In den Archivalien wird Zell in der Gassen auch als Mittelzell bezeichnet. Im Süden und Norden liegen in Ober- und Unterzell das ehemalige Männer- und Frauenkloster der Prämonstratenser.

Auf die kunsthistorische Bedeutung der im Kern romanischen und von Neumann barockisierten und in zahlreichen Publikationen beschriebenen Klosteranlage braucht hier nicht eingegangen werden.

Unbekannt ist aber, daß in Unterzell die wohl einzige in Deutschland erhaltene Küche eines Prämonstratenserinnenklosters erhalten ist und in dem kapellenartigen Klosterrefektorium Stukkateurarbeiten   und Farbfassungen aus der Echterzeit erhalten sind. Derartiges sucht man in Würzburg vergeblich.

Zell wurde wie ganz Franken maßgeblich von Klöstern geprägt.  In der Klosterküche oder in der bereits erwähnten  Kelterhofscheune sollte dieses Phänomen, die kunsthistorische Bedeutung der vorhandenen Architektur,  wie auch die Geschichte des bedeutenden mittelalterlichen Prämonstratenserordens – immerhin war Zell eine der ersten Gründungen östlich des Rheins - präsentiert werden. Vernetzung - erinnert sei an das o.g. Gerlachsheim - ist auch hier – wie bei den Weinhändlern – das Schlüsselwort.

III. Der Zeller Berg

Ort und Klöster liegen im Schatten eines weiteren Alleinstellungsmerkmals Frankens, wenn nicht Europas.

Das mehrere Hektar große Gelände des Zeller Berges fällt nach Süden (Hettstatter Steige), Norden (Klingengraben) und Osten (Zell) steil ab. Von dieser Hochebene aus können nicht nur die Hettstatter Steige und der Zeller Bock und damit die ehemalige Nürnberg und Frankfurt verbindende Reichs- und Heeresstraße wie auch der Zugang nach Würzburg, sondern auch die beim Kloster Unterzell liegende Furt und die am nördlichen Ortsende stehende Fährstation kontrolliert werden.

Dieser Berg spielte bei zahlreichen militärischen Aktionen eine Rolle. So 1796 bei der Rückeroberung Würzburgs durch Erzherzog Karl - er feierte im Zeller Schloß Sieg und Geburtstag - und 1866 als das letzte Gefecht im Deutschen-Deutschen Krieg am Hettstatter Hof stattfand.

Auf diesem strategisch günstig gelegenen Plateau sammelte aber auch das Hochstift Würzburg seine Truppen, um das Reich gegen die angreifenden Franzosen oder Türken zu verteidigen.

Der am Plateaurand liegende „Hettstadter Hof“ legt von dieser Funktion noch Zeugnis ab. Denn sein eigentlicher Name ist „Heerstatter Hof“. Der Würzburger Landvermesser Berwein beschreibt 1803 Hof und Gelände folgendermaßen: 

Das Landgut Heerstatt [. . .] lieget auf der sogenannten Hettstatter Höhe [. . .] von dem gemeinen Manne wird diese Markung Kaiser Karls Gericht genannt, welcher hier mit seinem  Kriegsheere sich gelagert und Gericht gehalten haben solle, daher der Namen Heerstatt entstanden.

Derartige Heeressammelplätze sind – wenn sie in Stadtnähe lagen – sämtlich überbaut worden. Dem Zeller Berg blieb dieses Schicksal erspart, da die Würzburger Stadtwerke zum Schutz der Zeller Quellen das Gebiet zum Wasserschutzgebiet erklären ließen. Folgt man auf dem Weg nach Hettstadt nicht der Hauptstraße, sondern dem nach wenigen Metern abbiegenden Weg, befindet man sich auf der bereits genannten historischen Reichs- und Heeresstraße.

Über diese zogen 1525 die aufständischen Bauern wie auch im Dreißigjährigen Krieg die Schweden nach Würzburg und Napoleon nach Moskau. Zur linken Hand stehen einige Häuser. Dort befand sich bis 2012 eine der Zeller Ziegeleimanufakturen. Die gewaltigen Bruchsteinmauern im aufsteigenden Waldgebiet zur Rechten sind die beeindruckenden Zeugnisse der aufgelassenen Zeller Weinberge. Da dort seit dem Verkauf der Zeller Quellen keine Landwirtschaft mehr betrieben wurde, ist das barocke Mauer-, Weg- und Entwässerungssystem der ehemaligen Weinberglagen erhalten.

Aber nicht nur dort ist die Zeit stehengeblieben. Folgt man der „Reichsstraße“ weiter, geht sie bald in einen Feldweg über. Reichsstraßen sind als Hauptverbindungsstraßen in der Regel unter dem Asphalt von Bundesstraßen oder Autobahnen verschwunden. Wir folgen dem Weg, zur Linken einen mittelalterlichen Steinbruch passierend, aus dem die Zeller Klöster und Kloster Himmelspforten beliefert wurden. Nach einem knappen Kilometer erreichen wir die Westgrenze der Zeller Gemeinde. Ein mannshohes Geleitkreuz, in Urkunden bereits 1422 und 1465 erwähnt, zeigt, daß dort im Mittelalter das Wertheimer Territorium begann. Gegenüber dem Geleitkreuz steht das imposante Gebäude der sogenannten Feldscheune. Ursprünglich dürfte es ein Pferdestall für das am Taleingang gelegene Gast- und Weinhändlerhaus von Valentin Wiesen gewesen sein, der dort seit 1715 auch eine Post- und Vorspannstation betrieb. Die Pferde, die benötigt wurden, um die Fuhrwerke auf dem steilen Anstieg der Hettstadter Steige zu unterstützen, waren wohl dort untergebracht. Archivalien berichten außerdem von einem Landwehrturm auf dem Zeller Berg, dessen genaue Position nicht bekannt ist. Die Auswertung von Luftbildaufnahmen und die Topographie lassen nur den Schluß zu, daß die Turmfundamente in der Scheune zu suchen sind.

Reichs- und Heeresstraße, der Standort der Ziegelei, historische Weinberglagen, der mittelalterliche Steinbruch, das mittelalterliche Geleitkreuz, die „Feldscheune“ als Teil einer Post- und Vorspannstation, der Landwehrturm und die „Heerstatt“ in einem beeindruckenden Landschaftsschutzgebiet stellen ein Kulturdenkmal ersten Ranges dar.

In Zusammenarbeit mit der Würzburger WVV soll ein naturschonendes Konzept für diese Kulturlandschaft erarbeitet werden.

Zusammenfassung

Zell ist Zeuge einer besonderen Konstellation von Geschichte, Kultur, Kunst und Landschaft.

Auf wenigen Quadratkilometern sind die architektonischen Denkmäler der Klöster, des Weinhändlerorts und des Landschafts- und Kulturdenkmals des Zeller Bergs als eine nicht nur für Franken einmalige Kulturlandschaft auf eindrucksvolle Weise konzentriert.

Wie konnte aber Zell eine derartige herausragende Position im Weinhandel einnehmen?

Mitausschlaggebend für die Wahl des Standorts des Klosters in Zell war auch die bereits genannte verkehrsgünstige Lage an der Frankfurt und Nürnberg verbindenden Reichs- und Heeresstraße, die Zeller Furt und die Nähe zur Residenzstadt Würzburg.

Diese Standortvorteile wußten auch die Zeller Ziegler und Weinhändler zu nutzen. Andere fränkische Orte hatten aber ähnliche günstige Voraussetzungen und spielten trotzdem in den von den Zellern besetzten Geschäftsfeldern keine Rolle.

Genauso wichtig waren die Netzwerke von Geschäfts- und Verwandtschaftsbeziehungen. Sie waren in schwierigen Zeiten sogar überlebensnotwendig und führten zum Beispiel im Pfälzer Erbfolgekrieg die Flüchtlinge aus der Pfalz nach Zell und ermöglichten es den fränkischen Händlern, so erfolgreich in Frankfurt Fuß zu fassen.

Netzwerke waren eine Rückversicherung in Krisenzeiten und Garant für den außergewöhnlichen Erfolg der fränkischen Geschäfts- und Verwandtschaftsverbünde.

Anhand der als Kooperationspartner genannten Orte aus Main- und Tauber-Franken, den Verbindungen mit Kaufleuten aus Wallonien und Norditalien können diese Netzwerke sichtbar gemacht werden. Entsprechende Konzepte sind zu erarbeiten.


[1] So verbanden sie sich mit den Kaufmannsfamilien Chandelle aus Lüttich und den Penco aus Nervi bei Genua.

 

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